Was wird denn des wanns fertig is?

geschrieben von STEPHAN FREILINGER

Am Mittwoch, den 05.04.2023, weckte mich mein Handy wie (noch nicht ganz) gewohnt um 04:10 mit dem Lied „Angel of Harlem“. Die Abfahrt von Gramastetten, mit dem schon etwas in die Jahre gekommenen Zweitauto, ist meist um kurz nach halb fünf. Inzwischen bin ich recht diszipliniert darin, Autokilometer zu sparen.

Hilfreich für diesen Lernprozess war weniger Greta Thunberg und ihr Wirken, sondern die Tatsache, dass sich zwei meiner Autos durch die massive Pendlerbelastung zu Exportautos ausmusterten. Das Kombinationspendeln (Auto, per pedes und Zug) nach Ried im Innkreis wurde für mich insbesondere durch das KlimaTicket OÖ attraktiv. Mein Weg in die Arbeit ist jenseits von normal. Das passt aber gut zu mir. Um es mit den Worten von André Heller auszudrücken: „Ich bekenne mich zu meiner Merkwürdigkeit!“ Kurios mag auch sein, dass ich mein Auto inzwischen in Urfahr stehen lasse, um einen längeren Fuß- oder Laufweg zum Hauptbahnhof zu haben.

Zum Früher-Vogel- Bewegungsprogramm gehören nach meiner Laufeinheit zum Hauptbahnhof zwei Wiederholungen Liegestütze, die ich fast immer bei meiner bevorzugten Säule zwischen dem Rech & Frisch Café und dem McDonald’s absolviere. Selbstverständlich achte ich darauf, dass ich meinen eigenen Bereich habe und niemanden störe. Meist gibt es vom Umfeld keine Reaktion, wenigstens keine die ich mitbekomme – immerhin ist meine Wahrnehmung mit nach unten gerichtetem Blick beeinträchtigt. Manchmal kommen aber lobende Worte und vor ein paar Wochen gesellte sich ein Fitnessfreak und langjähriger Gefängnisinsasse zu mir dazu und machte neben mir ein variantenreiches Liegestütz-Workout.

Auch am besagten Mittwoch bekam ich Gesellschaft – diesmal aber von einem Security-Mitarbeiter ohne jegliche sportliche Ambitionen. Er wurde von seinem Kollegen, der sich in der folgenden Szene zurückhielt, begleitet: Der Sicherheitsdienst-Mitarbeiter begrüßte mich von oben herab – vermutlich mit Blick auf meine Mönchslücke im Haupthaar – mit den Worten: „Was wird denn des wanns fertig is?" Er ließ nicht von mir ab und beschwerte sich weiter, woraufhin ich konterte, dass er gerne die Polizei rufen könne, um mich anzuzeigen.

Eine Liegestütz-Anzeige, idealerweise mit Eintrag im Strafregister, würde mich mit Stolz erfüllen. Rückblickend kann ich nur hoffen, dass der vorhin erwähnte Fitnessfreak seine neun Jahre Häfen nicht aufgrund zu vieler Liegestütze in der Öffentlichkeit einfuhr. Im Laufe des Gesprächs, das mir insbesondere in der Phase, in der ich noch pumpte, schwerfiel, meinte mein Konversationspartner, dass ich nicht aggressiv zu werden bräuchte, woraufhin ich erwiderte, dass ich komplett sachlich und gelassen geblieben war.

Außerdem wurde kritisiert, dass ich den Mitarbeiter vom Security-Team mit DU abgesprochen hätte, was aber nicht stimmte. Ich hatte lediglich "Ihna muss aber voi fad sein im Schädl!" gesagt. Somit war die höfliche Form im Einsatz, auch wenn die Aussage für sich zugegebenermaßen eher nicht als höflich eingestuft werden kann – dafür war sie aber authentisch und zutreffend. Der Mitarbeiter vom Security-Team meinte auch, dass das ja kein Turnsaal sei und dass ich meine Liegestütze draußen machen könne. In diesem Zusammenhang fände ich einen Push-Up Flash Mob oder eine spontane Wadenpump-Gemeinschaft überlegenswert. Natürlich wäre auch provokatives Kniebeugen-Machen kombiniert mit Armkreisen nicht nur vorwärts, sondern auch rückwärts und dann auch gegengleich ein mutiger Akt der Rebellion.

Als ich mit meinem Liegestützdurchgang fertig war, teilte ich dem Herrn, der mich angepöbelt hatte, mit, dass ich mich über ihn beschweren möchte und dass er mir bitte seinen Namen sagen möge. Er erwiderte daraufhin: „Es gibt keine Namen!" Mein Exkonversationspartner war daraufhin in recht kurzer Zeit gemeinsam mit seinem Kollegen von der Bildfläche verschwunden. Zuvor hatte ich ihm noch den Besuch eines Seminars zum Thema Geltungsbedürfnis und Machtmissbrauch empfohlen. Im Anschluss konnte ich ungestört meinen Morgenkaffee genießen, um dann meinen zweiten Liegestützdurchgang in Angriff zu nehmen.

Was wird das nun, wenn er – also mein Leserbrief – fertig ist? Ich möchte einen Appell richten an die Kleingeister dieser Welt: Wenn ihr glaubt eure wenn auch noch so fuzikleine Macht missbrauchen zu müssen, schaut in den metaphorischen Spiegel und erkennt die garstige Gestalt, die euch da entgegenekelt. Wenn ihr diese euch innewohnende Hässlichkeit erkennen könnt, dann besteht Hoffnung, dann habt ihr eine echte Chance die Schönheit, die in euch steckt zu Tage zu bringen und euch vom Kleingeist zum spirituellen Großgeist zu entwickeln. Als Katalysator für diese Metamorphose empfehle ich ein (fast) tägliches rigoroses Trainingsprogramm. Liegestütze eignen sich recht gut als Teil des Workouts, denn die kann man überall machen – auch beim Warten auf den Zug am Bahnhof und sogar im fahrenden Zug, wenn man darauf achtet niemanden zu stören.

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